Gute Bücher

Domenico Dara, Postbote von Girifalco
Kiepenheur&Witsch, gebunden, 23 €,

Eine Zeitreise in ein längst vergessenes Italien. Süditalien 1969.
Im verschlafenen Girifalco geht alles seinen gewohnten Gang – die anstehenden Kommunalwahlen sind schon das Aufregendste, was auf absehbare Zeit zu erwarten ist. Doch im Geheimen zieht ein guter Geist die Fäden, ohne dass die anderen Dorfbewohner es ahnen: Denn der Postbote des Ortes ist ein melancholischer Einzelgänger, der die Philosophie liebt und Zufälle sammelt – und nebenbei heimlich in den Briefverkehr des Dorfes eingreift. So versucht er, den Dingen die richtige Richtung zu geben. Unglücklich Liebende werden zusammengeführt, politische und amouröse Betrugsversuche verhindert, und Mütter bekommen plötzlich Post von ihren in der Ferne verschollen geglaubten Söhnen. Der Postbote von Girifalco scheint sich in seinem zurückgezogenen Dasein eingerichtet zu haben – bis ein mysteriöser Brief aus der Vergangenheit auftaucht, der das Dorfleben im Allgemeinen und seines im Besonderen gehörig ins Wanken bringt. Ein charmanter, lustiger, rührender Roman mit einem zu Herzen gehenden Protagonisten.

 

Labatut, Das blinde Licht
Suhrkamp, gebunden, 24 €

Romane sind die besseren Sachbücher! Dieses Buch ist ein ganz verblüffender Sachbuch -Roman. Er schildert das persönliche Erleben von Wissenschaftlern beim Finden von bahnbrechenden neuen Erkenntnissen. Heisenberg, Schrödinger, Grothendieck, Bohr sind die Hauptfiguren, der erste Weltkrieg, der zweite, Hiroshima und Vietnam der zeitliche Rahmen.
“Gott würfelt nicht!” wütend schlug Einstein mit der Faust auf den Tisch. Es war sein verzweifelter Versuch ein Denken zurückzuweisen, dass nicht sein durfte. Bohr und Heisenberg hatten erfolgreich ihre Quantenmechanik verteidigt und vor der versammelten Physiker Elite 5 Tage lang alle Einwände Einsteins widerlegen können: Im Bereich der Quanten werden Tatsachen erst dadurch geschaffen, dass wir sie beobachten! Untersucht man ein Quantum als photomechanische
Welle erscheint es als solche.
“Das blinde Licht” heißt das Buch über das ich hier versuche zu reden.
Blind, Licht, Blenden, Hellsehen –  in diesem Buchtitel steckt schon sehr viel.
Auch Einsteins blinder Fleck.
Da wo Licht ist, ist Erkenntnis. Zu lange ins Licht geschaut, ist man geblendet. Der Astrophysiker Schwarzschild beobachtete drei Tage und Nächte lang die Sonne. Danach war sein linkes Auge geschädigt durch einen runden “Sonnenfleck”. Heisenberg und Bohr hatten in ihrer Quantenmechanik gezeigt, dass ein Quantenteilchen unterschiedlich erscheint, schaut man es mit dem rechten oder linken Auge an. Schwarzschild hat mathematisch nachweisen können, dass, wenn ein Stern seine Energiequelle verliert, dieser zusammenschnurrt: Immer kleiner und kleiner konzentriert sich die Masse, es dringt kein Licht mehr heraus, alle “Natur”- Gesetze werden aufgehoben. Zukunft und Vergangenheit fallen in eins, wir würden zukünftige Ereignisse erleben.
Der Stern wäre ein ewig existierendes Schwarzes Loch.
Erkenntnis aus der Dunkelheit!

Im ersten Kapitel zeigt Labatut den Weg der Farbe Preußisch-Blau.
Sie ist die erste synthetisch hergestellte Farbe.  Das erste Gemälde, das mit ihm gemalt wurde, heißt „Die Grablegung Christi“. Aus dieser Farbe wurden sowohl
Zyankali wie Zyklon B entwickelt.
Das ist atemberaubend erzählt!

 

Anne Weber, Annette – Heldinnenepos
Matthes&Seitz, gebunden, 22 €

Was für ein Leben!
Geboren 1923 in der Bretagne, aufgewachsen in einfachen Verhältnissen, schon als Jugendliche Mitglied der kommunistischen Résistance, Retterin zweier jüdischer Jugendlicher — wofür sie von Yad Vashem später den Ehrentitel »Gerechte unter den Völkern« erhalten wird –, nach dem Krieg Neurophysiologin in Marseille, 1959 zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wegen ihres Engagements auf Seiten der algerischen Unabhängigkeitsbewegung… und noch heute an Schulen ein lebendiges Beispiel für die Wichtigkeit des Ungehorsams. Anne Weber erzählt das unwahrscheinliche Leben der Anne Beaumanoir in einem brillanten biografischen Heldinnenepos. Die mit großer Sprachkraft geschilderten Szenen werfen viele Fragen auf: Was treibt jemanden in den Widerstand? Was opfert er dafür? Wie weit darf er gehen? Was kann er erreichen? »Annette, ein Heldinnenepos« erzählt von einer wahren Heldin, die uns etwas angeht.

 

Fritz Mühlenweg, In geheimer Mission
Libelle Verlag, gebunden, 27,80 €

Anfang der dreißiger Jahre in Peking. Ein chinesischer und ein deutscher Junge,
Großer Tiger und Kompaßberg, bekommen den Auftrag einen Brief zu einen Mongolenfürsten zu bringen. Einen Lastwagen und Fahrer bekommen sie gestellt – die Abenteuer beginnen sofort: nicht nur wollen finstere Gestalten ihnen den Berief klauen, das eigentliche Abenteuer sind die Mongolen, die die beiden kennenlernen und von deren Lebensweise sie so begeistert sind, dass sie am Ende selber welche werden. Als LeserIn möchte man das auch und ist über jede Seite traurig, die das Buch dünner wird.
„Da ist keine Hilfe!“

Mein Sohn versuchte nach dem Lesen des Buches Mongolisch zu lernen!

“Amorchen beino!”

Fritz Mühlenweg war mit den Expeditionen Sven Hedins in der Mongolei und für immer vom dortigen Leben fasziniert. Das Buch erschien 1950 zum ersten Mal
und wird bis heute geliebt.

Frantz Wittkamp, Alphabetbuch
Galerie Wittkamp, 9.95 €

Dies kleine Büchlein ist unser meist verkauftes Buch
und das Buch mit dem wir am meisten erlebt haben!
Es ist ein immerwährender Kalender, jeden Tag ein Gedicht.
Mit ganz eigenem Humor
und besonderer Empfindsamkeit geschrieben.
Kein Kitsch!
Man kann damit alles Mögliche anstellen, vor allem aber eines:
einem lieben Menschen vorlesen!

 

Mancuso, Intelligenz der Pflanzen
Kunstman, gebunden, 19,95 €

Ein populär geschriebenes Buch, dass den Wissenstand der Botanik über Pflanzen beschreibt. Wir müssen unser Weltbild verändern! Ohne Pflanzen kein menschliches Leben.
Merkwürdig, dass sie lange als Lebewesen niederer Ordnung galten, knapp oberhalb der unbelebten Welt. Erst seit kurzem erkennt die Forschung, was schon Darwin vermutete: dass Pflanzen trotz ihrer (scheinbaren) Unbeweglichkeit über stupende Fähigkeiten verfügen, ja über Intelligenz. Denn außer den fünf Sinnen des Menschen besitzen sie noch mindestens 15 weitere, mit denen sie nicht nur elektromagnetische Felder erspüren und die Schwerkraft berechnen, sondern zahlreiche chemische Stoffe ihrer Umwelt analysieren können. Mit Duftstoffen warnen sie sich vor Fressfeinden oder locken Tiere an, die sie davon befreien; über die Wurzeln bilden sie riesige Netzwerke, in denen Informationen über den Zustand der Umwelt zirkulieren. Ohne Organe können sie so über eine Form von Schwarmintelligenz Strategien entwickeln, die ihr Überleben sichern. Von wegen »vegetieren«! Ein besseres Verständnis der Intelligenz der Pflanzen könnte uns lehren, auf Pestizide zu verzichten, ja bessere Computer und Netzwerke zu entwickeln, meint der renommierte Pflanzenforscher Stefano Mancuso, der uns in diesem Buch anschaulich und voller Leidenschaft eine unbekannte Welt eröffnet.

 

Spinney, 1918 – Die Welt im Fieber
Hanser, gebunden, 26 €

Guillaume Apollinaire ist todkrank, sein Körper schwarz, tief schwarz.
Eine Folge des Sauerstoffmangels, die Lunge ist schon voll mit Flüssigkeit.
Er stirbt an der “Spanischen Grippe”, 1918.
Sie hieß so, weil man nur aus Spanien davon wusste.
Die Pressezensur verhinderte Berichte über die Grippeepidemie. Jeder dritte Mensch auf der ganzen Erde war zwischen 1918 und 1920 infiziert. Zwischen 2.5 und 5% der Weltbevölkerung starben daran. Man geht von bis zu 100 Millionen Toten aus: mehr als die Toten des ersten und zweiten Weltkrieges zusammen. Nach Europa kam die Grippe vor allem mit amerikanischen Truppentransportern, die in Brest tausende kranke Soldaten an Land ließen. Der Krieg im Schützengraben ging auch deshalb nicht weiter,
weil auf beiden Seiten die Soldaten krank in den Gräben lagen.
Europa war nicht so schlimm betroffen, Indien am schlimmsten. Bis auf die Arktis waren alle Erdteile infiziert. Immer da, wo die Infrastruktur entwickelt war:
Häfen, Eisenbahnlinien, Städte.
Und da, wo viele Menschen zusammenlebten und zusammenkamen. Als Reaktion auf die Grippe entstanden unser Bedürfnis nach Sport und frischer Luft, aber auch die Eugenik. Während die Pest in das gesellschaftliche Bewußtsein eingegangen ist, wird die Spanische Grippe als individuelle Tragödie begriffen. Da ist sie nicht.
Sie ist das wichtigste Ereignis des 20. Jahrhunderts. Doch.
Wie erzählt man davon? Wie erforscht man eine solche Katastrophe? So als würde man in ein Kaleidoskop schauen, aus vielen Blickwinkeln und aus immer neuen Perspektiven. So machen das afrikanische Frauen beim Erinnern. So machen das die Wissenschaftler beim Erforschen. Und so macht das die Autorin beim Erzählen. Großartig. Ich habe das Gefühl einen tollen, etwas experimentellen, Roman gelesen zu haben,
der meinen Blick auf die Welt verändert hat.
Absolut spannend!

Tobias Roth, Die Welt der Renaissance
Galiani, gebunden, 89 €, Folio Format – ein prachtvolles Buch!

Das Buch der Bücher über Literatur, Gedankenwelt, Alltag und Geschichte der italienischen Renaissance Nichts war undenkbar, alles erlaubt, alles wurde ausprobiert – die italienische Renaissance steht am Beginn des modernen Europa. Durch diese Kulturrevolution entstanden neue Haltungen zur Welt und zur Menschheit, die die westliche Kultur bis heute entscheidend prägen. In dem in jahrelanger Arbeit entstandenen Folioband »Welt der Renaissance« gelingt es Tobias Roth, ein großflächiges Epochenbild zu entwerfen, das die Fülle, Vitalität, Widersprüchlichkeit und Innovationskraft dieser Zeit zeigt: faszinierende Jahrhunderte des freien Denkens und des Aufbruchs, in denen Kunst und Kultur blühen und gedeihen wie nie zuvor und nie wieder danach. Was sich in dieser Schatzkammer finden lässt, bringt einen wahrlich zum Staunen: Von den grandiosen Liebesgedichten Petrarcas bis zu erotischer Lyrik von Kardinälen und Staatsoberhäuptern, von Spekulationen über den Seeweg nach Osten zu Thesen über weiße Magie, die Würde des Menschen und Überlegungen zur Gleichwertigkeit von Mann und Frau. Auch Betrachtungen über das Alltagsleben eines Kaufmanns, die Heiratspläne einer Mutter, ein Festmahl zur Inauguration eines Papstes oder die Verbrennung Savonarolas sind im Band enthalten. Überraschungen finden sich zuhauf, darunter Fabeln Leonardo da Vincis, obszöne Briefe Machiavellis, eine Satire Ariosts, die ersten Ideen zum Denkmalschutz von Baldassarre Castiglione und Raffael. Dichterinnen wie Veronica Gambara und Vittoria Colonna haben ihren Auftritt genauso wie der homosexuelle Lyriker Benedetto Varchi oder Autoren wie Pietro Aretino, bei denen Schreiben zur Waffe wird.

 

Heinrich Pieroth – In der Eifel
Emons Verlag, gebunden, 39,95 € Grossformat

Erstmals veröffentlichte Fotos von Heinrich Pieroth aus den 1920er bis 1950er Jahren. Heinrich Pieroth (1893-1964) war Fotograf in Mayen und konzentrierte sich in seinen Arbeiten ganz auf seine Heimatregion. Von den 1920er Jahren bis in die 1950er Jahre hielt er in beeindruckenden Fotos die Landschaften, ihre Bewohner und deren Alltag im Südosten der Eifel fest.
In diesem Band ist dieser fotografische Schatz zu entdecken: In enger kontinuierlicher Beobachtung schuf der Fotograf ein visuelles Gedächtnis der Eifel – zu einer Zeit, als nicht nur die bis heute ländlich geprägte Region die Schwelle zur Moderne überschritt, sondern auch die Fotografie selbst.