Gute Bücher

Stine Pilgaard, Meter pro Sekunde
Kanon,, gb., 256 S, 23 €

Klug, mitreißend, lustig – aber nicht blöd, sehr frech und ziemlich originell.
Eine junge Mutter versucht, nach dem Umzug mit Mann und Kleinkind
aufs platte Land (das dänische Jütland), Fuß zu fassen. Kontakt zu bekommen. Immer wieder verzweifelt sie staunend an der Sprachlosigkeit der Landmenschen. An der Aufgabe“ junge Mutter“ scheitert sie sowieso. Sie wird „Kummerkasten – Tante“ der örtlichen Lokalzeitung (großartige Texte!), macht den Führerschein, besser gesagt versucht ihn bei Parkplatz-Peter zu machen, versucht Kindergeburtstage auszuhalten und sich mit dem KiTa Personal zu verstehen. Sie versucht Ausflüge mit ihren neuen Freudinnen zu genießen.
Der Roman besteht aus lauter kurzen Texten, die jeder für sich toll, lustig und ein bisschen unverschämt sind. Kann man kurz vorm Einschlafen noch schnell ein, zwei lesen. Morgens beim Kaffee auch. Aber auch als Ganzes ist das ein guter, lustiger und kluger Roman.
Selten zu finden!

Emmanuel Carrere, Yoga
Matthes & Seitz, gb., 341 S., 25 €

„Alles beginnt gut: Emmanuel Carrère erfreut sich eines gelungenen Lebens und plant ein feinsinniges Büchlein über Yoga. Heiter und sachkundig will er seine Erkenntnisse über die »inneren Kampfkünste« darlegen, die er er seit einem Vierteljahrhundert praktiziert. Bei seinen Recherchen in einem Meditationszentrum läuftt noch alles bestens, doch dann wird er eingeholt: vom Tod eines Freundes beim Anschlag auf Charlie Hebdo, von unkontrollierbarer Leidenschaft , Trennung und Verzweiflung. Sein Leben kippt, eine bipolare Störung wird diagnostiziert und Carrère verbringt vier quälende Monate in der Psychiatrie, wo er versucht, seinen Geist mit Gedichten an die Leine zu legen. Entlassen und verlassen lernt er auf Leros in einer Gruppe minderjähriger Geflüchteter ganz anders Haltlose kennen, aber findet auch Trost durch Musik und Gespräch. Zurück in Paris stirbt sein langjähriger Verleger, und doch gibt es am Ende auch wieder Licht. Denn Yoga ist die Erzählung vom mal beherrschten, mal entfesselten Schwanken zwischen den Gegensätzen. Durch eine schonungslose Selbstanalyse zwischen Autobiografie, Essay, Chronik und Roman gelingt Carrère der Zugang zu einer tieferen Wahrheit: was es heißt, ein in den Wahnsinn der heutigen Welt geworfener Mensch zu sein.“
(Verlagstext, der gut das Buch zusammenfasst)

 

Günther Rühle, Ein alter Mann wird älter – ein merkwürdiges Tagebuch
Alexander Verlag, gb., 232 S., 22.90 €

»Ich suche mich, indem ich’s hinschreibe.«

Ein ganz ungewöhnliches Tagebuch des berühmten Theater Menschen. Mit 96 Jahren und fast erblindet beginnt er zum ersten Mal in seinem Leben über sich selber nachzudenken und „ins Blinde“ zu schreiben.
Dabei gelingen ihm ungewöhnliche Gedanke und Sätze, nicht ohne Humor!
Er beginnt sich zu erinnern, an seine Kindheit, den Krieg, seine Arbeit am Theater und an die Menschen dort (Einar Schleef, Bernhard Minetti). Seine Sätze glänzen, wenn es um den Prozess des Alterns und die Überraschungen, die sein Körper für ihn bereithält, geht: Bei wachem Geist der körperlichen Abrüstung zuschauen.
Sehr ungewöhnlich!
»Ich treffe immer öfter auf einen Unbekannten, der doch Ich war.«